Musik – Demenz – Begegnung
„Menschen mit Demenz brauchen Musik mehr als anderes und mehr als andere.” Britta Warme, langjährige Musiktherapeutin in unserer Klinik, hat gemeinsam mit drei weiteren Autoren ein Grundlagen- und Praxisbuch zum Thema Musiktherapie für Menschen mit Demenz geschrieben. Es ist bereits in zweiter Auflage erschienen.
von Claudia Noack & Britta Warme
Einmal in der Woche behandelt die Musiktherapeutin Britta Warme für eine Stunde Herrn S., der an einer fortgeschrittenen Demenz erkrankt ist, in seiner häuslichen Umgebung. Die dementielle Erkrankung hat Herrn S. Sprachvermögen stark beeinträchtigt, aber er verfügt über einen großen Bewegungsdrang. Zu Beginn der Stunde sitzt er in einem dem Raum zugewandten Sessel, Britta Warme setzt sich ans Klavier. Sie stimmt ein russisches Volkslied mit einer einfachen Melodieführung und einem prägnanten Rhythmus an. Sofort beginnt Herr S. mit seiner Hand diesen Rhythmus auf dem Knie mitzuschlagen, ein Fuß wippt mit. Vor vielen Jahren spielte er selbst in einer Band und die Klänge von damals hat er nicht vergessen. Seine Augen schauen sehr wach, er lacht und ist ganz bei der Sache.
Später während dieser Runde stimmt Britta Warme einen Walzer an, der den Patienten sofort aufstehen lässt. Er dreht sich überraschend schwungvoll um sich selbst, bezieht den Rhythmus auf sich und genießt sichtbar seine Bewegungen. Die Therapeutin verlässt das Klavier und beginnt, Herrn S. singend zu begleiten. Beide tanzen Polka in einer offenen Volkstanzart, sie hüpfen und springen – es ist eine große Freude, den beiden dabei zusehen zu dürfen. Am Ende fallen sich beide lachend in die Arme.
Diese Szene ist aus einer Aufnahme für eine Gesundheitssendung des RBB, in der ein musiktherapeutisches Projekt vorgestellt wird. Die DVD, auf der man sich die Aufnahme ansehen kann, liegt dem Buch „Musik-Demenz-Bewegung. Musiktherapie für Menschen mit Demenz“ bei, das im Mabuse Verlag erschienen ist. Die Diplom-Musiktherapeutin Britta Warme, seit vielen Jahren auch als Musiktherapeutin in unserer Klinik tätig, hat gemeinsam mit Dorothea Muthesius (Musiktherapeutin), Jan Sonntag (Diplom- Musiktherapeut, und Heilpraktiker für Psychotherapie) und Martina Falk (Diplom-Psychologin und Diplom-Musiktherapeutin) an diesem Grundlagenwerk zur Musiktherapie bei Demenz Autorenschaft.
Menschen mit Demenz brauchen Musik mehr als anderes und mehr als andere. In diesem Buch erläutern die vier Autor*innen die neurologischen, biografischen und psychodynamischen Hintergründe der Arbeit mit Menschen mit Demenz. Was bedeutet Musik für kognitiv veränderte Menschen in ihrem jeweiligen Lebensumfeld, in welchem Kontext findet Musiktherapie statt, wie definiert sich eine angemessene therapeutische Begleitung.
Viele Fallbeispiele im Text und vor allem die DVD vermitteln überraschende, kreative und humorvolle Einblicke in die Arbeit.
Das Buch belässt es nicht dabei, zum hundertsten Mal die Musik als den Königsweg in die Herzen älterer Menschen zu feiern und es stellt nicht zum wiederholten Male wohlbekannte Liedertexte, Noten und Gitarrengriffe zur Verfügung.
Es begibt sich tiefer in das Thema hinein, erläutert musiktherapeutische Konzepte, zeigt therapeutische Interventionen in allen Stadien der Demenz bei der Suche nach Beziehung, differenziert Beziehungsqualitäten mit diagnostischem Potential.
In einem persönlichen Gespräch gibt Britta Warme Einblicke in die musiktherapeutische Arbeit im klinischen Kontext einer Gerontopsychiatrischen Station. Das Interview führte Claudia Noack, verantwortlich für die Unternehmenskommunikation des TWW.
Musik – Demenz – Begegnung
Musiktherapie für Menschen mit Demenz (Demenz Support Stuttgart), 2. überarbeitete Auflage (18. Februar 2019)
von Martina Falk, Dorothea Muthesius, Jan Sonntag, Britta Warme
ISBN 978-3-86321-433-3