Interview mit Chefkoch Mario Tassotti
Seit Anfang März sorgt Mario Tassotti als neue Leitung des Küchenmanagements für frischen Wind in unserem Bistro. Als langjähriger Spitzenkoch hat er insbesondere österreichische und asiatische Einflüsse mitgebracht. Wir haben mit ihm über seinen Werdegang und besondere Erlebnisse gesprochen.
Lieber Herr Tassotti, auch nachträglich noch einmal herzlich Willkommen im TWW! Es freut mich, dass Sie sich bereit erklärt haben, uns ein kleines Interview zu geben.
Mario Tassotti: Herzlichen Dank! Sehr gerne.
Lassen Sie uns zunächst über Ihren Werdegang sprechen. Wussten Sie denn schon immer, dass Sie Koch werden wollen?
Mario Tassotti: Nein, absolut nicht. Als Gasthauskind war es aber relativ klar, dass ich was in der Gastronomie mache. Nach der Ausbildung zum Hotelkaufmann wurde ich jedoch (nach kurzem Berlin-Aufenthalt) an den heimischen österreichischen Herd abberufen, ob ich wollte oder nicht. Da hat mich dann meine Großmutter sehr geprägt, die ja eine außergewöhnliche und großartige Köchin war.
Wurde Ihnen das auch mal zu viel bzw. haben Sie zwischenzeitlich an einer gastronomischen Karriere gezweifelt?
Mario Tassotti: Wenn man in diesem ‚Milieu‘ aufgewachsen ist, dann kann einen so schnell nichts erschüttern. Gezweifelt habe ich nie, da ich immer reichlich gutes Feedback (aber auch konstruktive Kritik) über mein Essen von den Gästen erhalten habe, um mich so stetig zu verbessern oder zu verändern.
Haben Sie Küchen-Idole? Ein Gordon Ramsey ist ja zum Beispiel sehr populär.
Mario Tassotti: Idole nicht unbedingt. Aber ich ziehe vor drei Köchen den Hut: Eckhart Witzigmann – Jahrhundertkoch. Sowie Wolfgang Puck – so wie ich aus Kärnten. Chef Puck bekocht die Schönen und Reichen in den USA und ist einer der erfolgreichsten Unternehmer International in der Szene. Und natürlich wie bereits erwähnt: meine Großmutter, von der ich sozusagen direkt in der Küche großgezogen wurde.
Wir haben ja bereits darüber berichtet, dass Sie eine lange Zeit in China verbracht haben und dass diese Zeit auch sehr prägend für Sie war. Erzählen Sie uns doch einmal, was Sie bewogen hat, diesen großen Schritt zu tun und wie es dazu kam, dass Sie ganze 15 Jahre im fernen Osten verbracht haben.
Mario Tassotti: Ich weiß es noch, als wäre es gestern gewesen: ich sah eine Ausschreibung auf einer renommierten, internationalen Gastro-Plattform: Chefkoch gesucht für 1. Österreichisches Restaurant in Shanghai. Ich war eigentlich schon spät dran mit meiner Bewerbung, das Auswahlverfahren war bereits beendet. Trotzdem befand ich mich ca. drei Wochen später im Flieger nach China. Ich hatte den Job. Zumindest für die ersten sechs Monate, denn dann kam die Sommersaison am Wörthersee und mit ihr der Anruf der Familie. Ich musste China verlassen und an den heimischen Herd. Nach drei Monaten reiste mein damaliger Boss nach Österreich und ersuchte meine Familie mich freizugeben. Meine Mutter gab das OK und aus sechs Monaten wurden fast 15 Jahre.
Das Land des Drachens hat mich angezogen wie ein Magnet. Es war eine unbeschreibliche, unvergessliche Zeit. Jeder Tag ein Abenteuer.
Gibt es aus dieser Zeit Erlebnisse, die besonders herausstechen?
Mario Tassotti: Die Möglichkeit, das ganze Land kennenzulernen – zuletzt war ich für 22 Restaurantküchen verantwortlich, die sich über das ganze Land verteilten. Ich musste jeweils für zwei bis drei Tage pro Monat jedes Restaurant besuchen – die Speisenqualität kontrollieren und mich um die expat communities (ins Ausland delegierte Führungskräfte), durch Abhalten von Stammtischen kümmern. Sie können mir glauben – langweilig wurde mir nie. Ich lebte in Hotels aus Koffern, aber es war einzigartig mit den highspeed Zügen quer durch China zu düsen und in jeder Stadt von einem anderen Küchenteam begrüßt zu werden. Was natürlich noch spannender war an der ganzen Geschichte: ich hatte dadurch eine ideale Spielwiese, mir meine chinesischen Kochkenntnisse anzueignen. Phantastische kulinarische Erfahrungen, die man in keinem Kochbuch liest …
„Als Bub vom Land in die 25 Millionen Metropole Shanghai – da blieb mir schon die Luft weg. Und jetzt als Großstadtindianer wieder nach Europa: alles plötzlich so klein …“
Wie hat es sich für Sie angefühlt, nach so langer Zeit wieder zurückzukehren?
Mario Tassotti: Es war wie der Erstaufschlag in China: Kulturschock pur. Nur halt umgekehrt. Als Bub vom Land in die 25 Millionen Metropole Shanghai – da blieb mir schon die Luft weg. Und jetzt als Großstadtindianer wieder nach Europa: alles plötzlich so klein …
ABER: man soll sich nichts vormachen: Europa und speziell Deutschland (oder auch meine Heimat Österreich) sind kein Vergleich zu der Glitzerwelt China. Aber vom ganzen Drumherum – Gesundheitssystem, Wasserqualität, Lebensqualität und so weiter steht China deutlich dahinter.
Nur das erkennt und lernt man erst wieder zu schätzen, wenn man sich länger wieder auf Heimatboden befindet. Ich habe das Glück zu wissen, wo meine Wurzeln liegen und deswegen bin ich eigentlich sehr froh, wieder hier zu sein.
Das TWW bietet mir – trotz Krankenhauscharakter – eine kulinarische Spielwiese, die sich auch sehr schön mit Patientenbedürfnissen vereinen lässt. Und das gefällt mir und beflügelt mich sehr.
Wie viel kochen Sie zu Hause?
Mario Tassotti: Selten bis gar nicht. Da man wieder essen gehen darf, mache ich das, was ich am liebsten tue: Essen gehen. So erweitere ich meinen Horizont und sehe live, was gerade up-to-date ist. Und wo, wenn nicht in Berlin, hat man eine so reiche und breit gefächerte Auswahl an internationaler Küche?