Borderline-Syndrom
Ein falsches Wort genügt, um das Fass zum Überlaufen zu bringen. Ein verschüttetes Glas reicht, dass die Stimmung kippt. Ohne Vorwarnung entlädt sich eine unbändige Wut, macht sich Verzweiflung breit, gerät das emotionale Gleichgewicht bei Menschen mit Borderline-Syndrom aus der Balance. Häufig sind Betroffene nicht einmal 30, wenn die innere Spannung unerträglich wird, der Leidensdruck so hoch, dass sie sich verletzten müssen, nur um sich selbst zu spüren.
Borderline beschreibt das Wechselbad
zwischen Selbstliebe und Selbsthass.
Die gute Nachricht: Stabilität und Struktur können helfen. Langfristig angesetzte Therapien können es schaffen, Borderlinern einen lebensbejahenden Alltag zu geben, indem sie ihr Selbstwertgefühl aufbauen. So schaffen es viele junge Erwachsene ihre Emotionen zu kontrollieren und eine stabile Beziehung aufzubauen und sogar eine Familie zu gründen.
Das Borderline-Syndrom in Zahlen
In Deutschland leiden ca. 2% der Bevölkerung am Borderline-Syndrom, das sind ca. 1,6 Millionen Menschen. Speziell junge Menschen leiden unter der Krankheit. Sie machen einen Anteil von 5% aus. In Kliniken, die psychische Störungen stationär behandeln, sind ca. 15% der Patienten Borderline-Patienten. Ambulante Therapien sind zu ca. 20% von an Borderline leidenden Menschen belegt.
Auffallend sind eine hohe Suizidrate von 5-10% und eine Selbstverletzungsrate von 69-80%. Das höchste Suizidrisiko liegt zwischen dem 20.-30. Lebensjahr. Obwohl die Borderline-Störung genetisch bedingt sein kann, finden sich in mindestens 70% der Fälle chronische Traumata wie sexueller Missbrauch und/oder emotionale Vernachlässigung in der Kindheit. Etwa 80% der Patienten in Therapie sind weiblich.
„Heute Freund, morgen Feind – Menschen mit dem Borderline-Syndrom
leiden unter ihrer extrem instabilen Gefühlswelt. Die Psychotherapie ist anspruchsvoll,
aber das wirksamste Mittel, um funktionierende Beziehungen zu ermöglichen.“
Marian Grosser, Arzt
Definition der Borderline-Persönlichkeitsstörung: Das instabile Innere
Das Borderline-Syndrom ist eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung gekennzeichnet von Impulsivität und Instabilität. Es ist die Unfähigkeit innere gefühlsmäßige Zustände zu kontrollieren. Diese Spannungszustände werden als unerträglich empfunden.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterscheidet zwei Borderline-Typen:
- den impulsiven Borderline-Typ, der vor allem durch Impulsivität und Unberechenbarkeit auffällt,
- und den Borderline-Typ, der vor allem durch ein gestörtes Selbstbild und Beziehungsverhalten geprägt ist.
Um diese Zustände zu verändern, entwickeln Borderline-Patienten bestimmte Strategien, wie Selbstverletzungen, in dem sie sich mit Messern oder Rasierklingen in die Haut schneiden oder sich Verbrennungen zuführen. Drogenkonsum oder andere gefährliche Verhaltensweisen wie auf Brückengeländern zu balancieren oder das Rasen auf der Autobahn werden als Methoden zum Spannungsabbau eingesetzt.
Der Wunsch nach einem Zustand von Ruhe und Geborgenheit verleitet die Betroffenen dazu und ruft in Situationen der Anspannung dieses Muster ab. Die Formen der Selbstverletzung sind nicht als Suizidversuche zu verstehen. Sie dient einzig und allein der Spannungsminderung und Selbstregulation. Die intensive Anspannung hat eine stress-abhängige Reaktion zufolge, die dazu führt, dass der Körper keine Schmerzen mehr empfindet.
Manche Betroffene sehen sich wie im Nebel, und sind nicht mehr in der Lage, sich zu bewegen oder zu sprechen.
Neben den Spannungszuständen verspüren Borderline-Patienten auch intensive Emotionen wie Schuld, Scham, Ohnmacht und Selbstverachtung. Diese Gefühlswelt beeinflusst ihr Beziehungsleben. Die großen Schwankungen im Selbstwertgefühl erschweren eine zufriedenstellende Beziehung. Die Angst vor dem Verlassenwerden ist ein zentraler Aspekt der Erkrankung und kann ein existentielles Ausmaß annehmen.
Häufig besteht ein Nebeneinander von Sehnsucht nach Geborgenheit und stark ausgeprägter Angst vor sozialer Nähe. Die ständigen scheinbaren Unsicherheiten im zwischenmenschlichen Bereich, führen wiederum zu Spannungszuständen.
So ergibt sich ein fortlaufender Kreislauf und ein Ausbrechen ist für die Betroffenen alleine selten möglich. Oft scheitern partnerschaftliche Beziehungen, weil der gesunde Partner mit den Gefühls-, Stimmungs- und Selbstwertschwankungen des Borderline-Patienten nicht zurechtkommt, aber auch zwischenmenschliche Probleme am Arbeitsplatz wirken sich negativ auf die soziale Funktionsfähigkeit aus.
Diagnose Borderline: Wenn der Verdacht Gewissheit wird
Der erste Schritt zur Diagnose ist eine gründliche Anamnese durch den Facharzt. Für die Anamnese werden nicht nur der Patient, sondern möglichst auch andere Bezugspersonen befragt, vor allem die Eltern. Für die Diagnose müssen andere seelische Störungen, die mit teils ähnlichen Symptomen einhergehen, ausgeschlossen werden. Dazu gehören zum Beispiel schizophrene Störungen und Störung des Sozialverhaltens.
Dabei sind folgende Fragen wichtig, um die Boderline-Persönlichkeitsstörung festzustellen:
- Sind die Symptome schon in der Kindheit oder Jugend aufgetreten?
- Sind die Symptome typisch für die betroffene Person? (z.B. aggressives Verhalten nicht nur gegenüber der Mutter sondern auch gegen Mitschüler)
- Treten die Symptome in unterschiedlichen Lebenssituationen auf?
- Wie hoch ist der persönliche, psychische Leidensdruck der Betroffenen?
Bei der Borderline-Persönlichkeit weichen Erleben und Verhalten der Betroffenen deutlich von den Normen ab und zwar in mindestens zwei der folgenden Bereiche:
- Kognition: Betroffene sehen und interpretieren ihre Umwelt anders als andere Menschen.
- Affektivität: Ihre Emotionen sind intensiver als gewöhnlich und sie reagieren unangemessen.
- Impulskontrolle: Betroffene können ihre Impulse schlecht beherrschen und haben den Drang, Bedürfnisse sofort zu befriedigen.
- Beziehungen: Die Beziehungen zu den Mitmenschen sind gestört.
Um die Diagnose einer Borderline Persönlichkeitsstörung (gemäß ICD 10) stellen zu können, müssen somit mindestens drei der folgenden Merkmale zutreffen:
- Deutliche Tendenz, unerwartet und ohne Berücksichtigung der Konsequenzen zu handeln (fehlende Impulskontrolle)
- Deutliche Tendenz zu Streitereien und Konflikten mit anderen, vor allem, wenn impulsive Handlungen unterbunden oder getadelt werden (Wut)
- Neigung zu Wutausbrüchen oder Gewalt mit Unfähigkeit, das explosive Verhalten zu kontrollieren
- Schwierigkeiten, Handlungen beizubehalten, die nicht unmittelbar belohnt werden
- Unbeständige Launen, Stimmungsschwankungen, Gefühlsschwankungen (Affektinstabilität)
Zusätzlich müssen mindestens zwei der folgenden Kriterien erfüllt sein, die für Borderline-Syndrom spezifisch sind:
- Störungen und Unsicherheit des Selbstbilds, der persönlichen Ziele und Vorlieben (einschließlich der sexuellen)
- Neigung, sich in intensive, aber instabile Beziehungen einzulassen, oft mit der Folge emotionaler Krisen
- Übertriebene Bemühungen, ein Verlassenwerden zu vermeiden
- Selbstverletzendes Verhalten, Suiziddrohungen und -versuche
- Anhaltende Gefühle von Leere
Nicht jeder Borderline-Patient leidet unter allen Symptomen und Verhaltensmustern gleichzeitig und in gleich starker Ausprägung. Eine Diagnose ist daher nicht einfach. Um sie zu sichern, steht Fachärzten ein international standardisierter Diagnoseschlüssel zur Verfügung. In ausführlichen strukturierten Gesprächen und gegebenenfalls psychologischen Tests werden andere (psychische) Erkrankungen ausgeschlossen oder als Begleiterkrankung identifiziert:
Häufig haben Personen mit einer Borderline Persönlichkeitsstörung (BPS) zusätzlich eine oder mehrere zusätzliche Diagnosen.
Begleiterkrankungen
Begleiterkrankungen, die auf klinischen Studien mit stationären PatientInnen basieren und die meist eine stärkere Symptomatik im Vergleich zu ambulanten PatientInnen aufweisen, können sein:
- Depression: Schätzungen zwischen 30 und 87%.
- Drogenmissbrauch: 64–66%
- Posttraumatische Belastungsstörung: 46–56%
- soziale Phobie: 23–47%
- eine Zwangsstörung: 16–25%,
- eine Panikstörung: 31–48%,
- eine Essstörung: 29–35%
- Aufmerksamkeits-Hyperaktivitätsstörung (ADHS): bis zu 60%
Borderline-Symptome anerkennen, macht alles leichter, auch die Therapie
- Unsicher und impulsiv: Schwierigkeiten, Impulse und Gefühle zu kontrollieren sind charakteristisch. Borderline-Patienten rasten auch bei Kleinigkeiten schnell aus und sind streitsüchtig, vor allem wenn sie daran gehindert werden, ihre Impulse auszuleben. Wut gehört zu ihrem Alltag. Ursachen für dieses explosive Auftreten sind meist starke Selbstzweifel. Ihr Selbstbild ist instabil, bis hin zur Unsicherheit über die eigene sexuelle Ausrichtung. Die meisten haben Probleme, ein angestrebtes Ziel zu verfolgen, weil sich ihre Pläne unentwegt ändern.
- Gefühlsstürme: Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung erleben täglich eine Achterbahnfahrt von Gefühlen, die sie nicht kontrollieren können. Der Auslöser für diese intensiven Emotionen können geringfügig erscheinen, doch Borderliner reagieren sehr sensibel auf äußere Ereignisse. Sie fühlen sich schnell überfordert oder unter Druck gesetzt. Ihre Gefühle halten meist nicht lange an, erzeugen jedoch eine starke innere Unruhe.
- Selbstverletzung und Suizidversuche: Ein Auslöser dieser psychischen Störungen ist für die Patienten nicht immer erkennbar. Um diese Anspannung im Körper abzubauen, ritzen sich viele Borderline-Patienten und fügen sich zum Teil lebensgefährliche Verletzungen zu.
- Andere Formen selbstzerstörerischen Verhaltens: Überkonsum von Alkohol und Drogen, Essstörungen, hochriskante Sportarten oder Risikosex.
- Verhaltensweisen, die wie ein Suizidversuch wirken, sind für die Betroffenen meistens ein verzweifelter Versuch, die quälenden Gefühlszustände in den Griff zu kriegen.
Symptome der Dissoziation
Bei einer Dissoziation verändert sich die Wahrnehmung wie in einem Drogenrausch. Es können kurzzeitig Erinnerungsverluste oder auch Bewegungsstörungen auftreten. Das hängt mit der Abspaltung von Gefühlen zusammen, die Borderliner erleben. Die Ursache dafür sind häufig traumatische Erlebnisse in der Kindheit.
Wenn das Kind nicht die Möglichkeit hat, der traumatischen Situation zu entfliehen, begibt es sich emotional an einen anderen Ort. Diese Dissoziationen tauchen auch im späteren Leben auf, vor allem dann, wenn negative Gedanken und Gefühle auftreten.
Symptome der Derealisation/Depersonalisation
Manche Borderline-Patienten erleben sogenannte Derealisationen oder Depersonalisationen. Bei einer Derealisation wird die Umwelt als fremd und unwirklich wahrgenommen. Bei einer Depersonalisation empfinden die Betroffenen ihr eigenes Ich als fremd. Ihre Gefühle erscheinen ihnen wie losgelöst von ihrer Person.
Schwarz-Weiß-Denken
Ein weiteres Borderline-Anzeichen ist das „Schwarz-Weiß-Denken“ der Patienten, das Sachverhalte ebenso betrifft wie ihre Mitmenschen. So idealisieren sie Personen in ihrer Umgebung oft zunächst, um sie dann bei der kleinsten enttäuschten Erwartung extrem abzuwerten. An solchen plötzlichen Umschwüngen lässt sich Borderline erkennen.
Stabile Beziehungen einzugehen ist daher ein großes Problem für Menschen mit der Borderline Persönlichkeitsstörung. Symptome sind Angst vor der Nähe zu anderen Personen, als auch die Angst alleine zu sein. Ihr Verhalten wechselt daher zwischen extremem Klammern und Abweisung.
Gefühl der Leere
Gefühle der Leere und Langeweile sind typisch für Borderliner. Diese Gefühle hängen zum einen damit zusammen, dass Borderline-Patienten Schwierigkeiten mit ihrer eigenen Identität haben. Sie sind sich unsicher darüber, wer sie sind und was gut und schlecht für sie ist.
Demzufolge fehlen ihnen eigene Wünsche und Ziele, die sie verfolgen können und antreiben. Zum anderen fühlen sie sich oft alleine und verlassen. Beziehungen zu anderen Menschen sind aufgrund der typischen Borderline-Symptome schwierig und sehr instabil und zerbrechen leicht.
Borderline als Elternteil, als Partner, im Leben
Mütter und Väter mit Borderline
Menschen mit Borderline, die ein Kind erwarten, haben oft große Selbstzweifel und Sorge, dem Kind nicht gerecht zu werden. Wenn ein Elternteil am Borderline-Syndrom leidet, bedeutet das nicht, dass auch die Kinder psychische Schwierigkeiten haben werden. Eltern, die bereit sind, sich in therapeutische Behandlung zu begeben und an ihrem Borderline-Verhalten zu arbeiten, können ihrem Kind den nötigen Schutz vor der Erkrankung bieten.
Doch auch wenn Eltern die besten Absichten für ihre Kinder haben, können sie diese überfordern. Häufig haben beispielsweise Mütter mit Borderline-Syndrom sehr hohe Ansprüche an sich und wollen dem Kind ein besseres Leben als das ihre ermöglichen. Es besteht die Gefahr, dass sie die Kinder überbehüten und sie daher kaum Raum zur Entwicklung bekommen.
Die Betreuung eines Kindes ist für Menschen mit Borderline-Syndrom in jedem Fall eine große Herausforderung.
Die Betreuung eines Kindes ist für Menschen mit Borderline-Syndrom in jedem Fall eine große Herausforderung. Das Kind kann Erinnerungen an traumatische Ereignisse aus der eigenen Kindheit wachrufen. Die Betroffenen fühlen sich dadurch wieder in die Kinderrolle versetzt und sind häufig nicht in der Lage, ihr eigenes Kind angemessen zu versorgen. Die Elternrolle überfordert sie, erzeugt Aggression und in manchen Fällen auch Gewalt gegen die Kinder.
Schule und Beruf
Die meisten Betroffenen haben Schwierigkeiten, eine Berufsausbildung abzuschließen. Viele verbringen Jahre ihres Lebens in psychiatrischen Kliniken. Erst um das dreißigste Lebensjahr herum nimmt die Intensität des Borderline-Syndroms langsam ab und die heftigen Gefühlsstürme verebben.
Kinder leiden mit
Sind die Borderline-Symptome schwer ausgeprägt, leiden die Kinder sehr unter den Auswirkungen der psychischen Störung. Wenn Kinder den Stimmungsschwankungen der Eltern hilflos ausgesetzt sind, werden sie durch das Wechselbad von liebevoller Nähe und Abweisung verunsichert.
Kinder verlieren dann das Vertrauen in die Eltern und bemühen sich, die Bedürfnisse der Eltern zu erfüllen und stecken ihre eigenen zurück. Diese Rollenumkehr erzeugt bei den Kindern meist psychische Probleme, die ein Leben lang anhalten können.
Eltern mit Borderline-Syndrom sollten sich unbedingt Hilfe suchen. Der Therapeut kann die Familie auf ihrem Weg begleiten. Die Eltern können mit Unterstützung lernen, die Bedürfnisse ihres Kindes zu erkennen. Wenn die Kinder über die Krankheit der Mutter oder des Vaters aufgeklärt werden, haben sie ein besseres Verständnis für schwierige Situationen.
Ursachen und Risikofaktoren bei Borderline: Der Grenzgang zwischen Neurose und Psychose.
Die Ursachen einer Borderline-Diagnose sind noch nicht abschließend geklärt. Es gibt aber Risikofaktoren, die die Erkrankung von Borderline begünstigen, besonders wenn sie in Kombination auftreten.
Die Risikofaktoren des Borderline-Syndroms:
- Vererbung: Als sichere Diagnose gilt, dass eine genetische Veranlagung und frühe traumatische Erfahrungen zusammenwirken und die Störung auslösen können. Die bislang einzige Zwillingsstudie hat gezeigt, dass die genetischen Faktoren einen großen Einfluss auf die Entstehung der Borderline-Persönlichkeitsstörung haben. Somit ist Borderline nicht vererbbar, die Veranlagung dafür aber schon.
- Traumatische Erlebnisse: Traumatisierungen erhöhen das Risiko für das Borderline-Syndrom erheblich. Untersuchungen haben gezeigt, dass ein großer Teil der Betroffenen in der frühen Kindheit sexuell missbraucht worden ist - insbesondere innerhalb der Familie. Borderline-Patienten haben auch in vielen Fällen körperliche Gewalt erlebt.
- Seelische Misshandlungen können das Borderline-Syndrom zur Folge haben. Viele der Patienten wurden in ihrer Jugend schwer vernachlässigt. Mangelnde Wärme in den familiären Beziehungen oder unberechenbare Bezugspersonen erhöhen das Risiko.
- Frühe Trennungserfahrungen durch Scheidung oder Tod eines Elternteils begünstigen die Erkrankung.
- Kein Automatismus durch Traumatisierung in der Familie. So auffällig die Häufung von Traumatisierungen bei Patienten mit dieser psychischen Störung auch ist, bei einem Teil der Patienten entwickelt sich die Persönlichkeitsstörung offenbar auch ohne erschütternde Erfahrungen in der Familie.
- Störungen im Gehirn: Borderliner erleben alle Gefühle sehr viel intensiver als Gesunde. Ob diese Tendenz angeboren ist oder erst durch traumatische Erfahrungen entsteht, ist bislang noch nicht klar. Forscher gehen davon aus, dass die Kommunikation bestimmter Hirnzentren, welche die emotionale Verarbeitung kontrollieren, bei Menschen mit Borderline-Syndrom gestört ist. In manchen Studien wurde von einer Beeinträchtigung des Frontalhirns berichtet. Diese Gehirnregion ist unter anderem für die Impulssteuerung bedeutend, sie könnte mit den impulsiven Aktionen von Borderline-Patienten zusammenhängen.
- Emotionale Vernachlässigung: Die Borderline-Störung zeigt sich häufig erstmals im frühen Erwachsenenalter. 40 bis 70 Prozent der Betroffenen berichten von fehlender emotionaler Zuwendung in der Kindheit und mangelnder Anerkennung durch wichtige Bezugspersonen. Auch Misshandlung und sexueller Missbrauch zählen zu den häufig genannten Gründen.
- Bindungsängste: Borderline-Patienten fällt es oft schwer, stabile zwischenmenschliche Beziehungen einzugehen. Sie suchen die fehlende eigene Wertschätzung in intensivem Kontakt zum Gegenüber, idealisieren es. Gleichzeitig haben sie große Angst allein zu sein oder verlassen zu werden. Die damit einhergehenden hohen Ansprüche kann auf Dauer kein Partner erfüllen: Irgendwann fühlt sich jeder Borderline-Patient zutiefst enttäuscht, wertet den zuvor idealisierten Partner rigoros ab und trennt sich von ihm.
Grundsätzlich erhöhen psychische Auffälligkeiten in der Familie sowie Alkoholmissbrauch, Depressionen oder Schizophrenie das Risiko, ein Borderline-Syndrom zu entwickeln.
Borderline-Therapien: Stressbewältigung im Alltag meistern
Die Behandlung eines Borderline-Syndroms gehört in die erfahrenen Hände eines Psychotherapeuten oder Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie. Aufgrund des selbstgefährdenden Verhaltens gilt die Borderline-Persönlichkeitsstörung als ernstzunehmende, schwerwiegende Erkrankung.
Die besonderen Herausforderungen, die eine Borderline- Erkrankung mit sich bringt, sind für Patient und Therapeut nicht leicht zu bewältigen. Da Borderline mit einem starken Leidensdruck einhergeht, ist es wichtig, sich möglichst frühzeitig professionelle Hilfe zu holen.
Da Borderline mit einem starken Leidensdruck einhergeht, ist es wichtig, sich möglichst frühzeitig professionelle Hilfe zu holen.
Als besonders wirksam haben sich verhaltenstherapeutische Methoden erwiesen, die den Betroffenen Strategien an die Hand geben, ihre extremen Empfindungen und ihr Verhalten besser zu steuern. Diese sogenannten Skills zur Stressbewältigung, werden in unterschiedlichen Therapien angewandt:
- Die Dialektische Behaviorale Therapie (DBT) hilft auf gesunde Weise mit der inneren Anspannung umzugehen, negative Emotionen früher zu erkennen, zu kontrollieren und abzubauen. In der ersten Therapiephase werden die Borderline-Patienten zunächst stabilisiert. Im Mittelpunkt stehen dabei Strategien, die verhindern, dass der Patient sich weiter selbst schädigt oder die Therapie vorzeitig abbricht.
- Die schemafokussierte Therapie (SFT) zielt darauf, unbewusste festgefahrene Verhaltensmuster zu identifizieren und abzulegen. Die Schematherapie setzt daran an, dass jeder Mensch von der Kindheit an Muster entwickelt, um mit Erlebnissen umzugehen. Wenn die Grundbedürfnisse der Kinder nicht erfüllt werden, bilden diese ungesunde Strategien und Denkmuster aus. Patienten mit Borderline gehen zum Beispiel oft davon aus, verlassen zu werden und sind anderen gegenüber misstrauisch. Ziel der Schematherapie ist es, negative Gedanken- und Gefühlsmuster zu erkennen und zu bearbeiten.
- Die mentalisierungsbasierte Therapie (MBT) hilft dem Patienten besser mit sich und anderen Menschen zurechtzukommen. Menschen mit Borderline haben Schwierigkeiten das eigene Verhalten und das anderer Menschen einzuschätzen. In dieser Therapie lernt der Betroffene, die Hintergründe von Verhaltensweisen besser interpretieren und verstehen zu können.
- Die übertragungs-fokussierte Therapie (TFP) hilft bei der Bewältigung von individuellen Kindheitserfahrungen. Patienten haben oft ein ausgeprägtes Schwarz-Weißbeziehungsweise Gut oder Böse-Denken. Der Therapeut wird entweder idealisiert oder als bedrohlich empfunden. Alte Beziehungserfahrungen, zum Beispiel mit den Eltern, übertr.gt der Patient auf den Therapeuten. Zum Beispiel könnte der Therapeut als strenger Vater erlebt werden. DieseTherapie arbeitet mit dem Patienten daran, diese Übertragungen zu erkennen und zu verändern.
- Familientherapie: Besonders bei der Borderline-Therapie von Jugendlichen ist es entscheidend, die Familie mit einzubeziehen. Den Angehörigen wird dadurch der Umgang mit dem betroffenen Familienmitglied erleichtert. Eine Zusammenarbeit mit der Familie ist eine wesentliche Voraussetzung, dass der Jugendliche sein Denk- und Verhaltensmuster erfolgreich ändern kann. Besonders wichtig ist das Einbeziehen der Familie, wenn die Störung ihre Wurzeln zumindest teilweise in der Familie hat. Bestehen krankhafte Beziehungsmuster in der Familie, kann eine Familientherapie sinnvoll sein.
Ist Borderline heilbar?
Lange Zeit galt die Therapie von Borderline-Patienten als besonders problematisch. Wie in der Beziehung zu allen anderen Menschen auch, neigen Borderliner dazu, den Therapeuten anfangs zu idealisieren, um ihn bei der kleinsten enttäuschten Erwartung extrem abzuwerten. Häufige Therapeutenwechsel und Therapieabbrüche sind die Folge.
Die Aussicht auf eine vollständige Borderline-Heilung ist zwar gering. Doch sind die Chancen für die Patienten, die gravierendsten Auswirkungen der Störung in den Griff zu bekommen, deutlich gestiegen. Für Patienten, die zu selbstverletzendem Verhalten neigen oder gar selbstmordgefährdet sind, ist eine stationäre Borderline-Therapie wie es das TWW in Berlin bietet, wichtig. Vor allem jüngere Menschen profitieren dabei von dem strukturierten Leben in der Einrichtung.
Ob Borderline heilbar ist, hängt auch von der Schwere der Symptome und der sozialen Situation ab. So sollen Mutterschaft und Ehe die Genesung unterstützen. Ab dem 30. Lebensjahr klingen die impulsiven Symptome ab und der Umgang mit der psychischen Störung wird leichter.
Medikamente während der Borderline-Therapie
Manche Patienten erhalten zusätzlich eine medikamentöse Therapie. Borderline ist jedoch nicht alleine durch Medikamente behandelbar - spezielle Borderline-Medikamente gibt es nicht. Stimmungsstabilisierer wie Lithium können aber dabei unterstützen, extreme Gefühlszust.nde in den Griff zu bekommen.
Patienten, die unter starken Angstzuständen leiden, können können mit Benzodiazepinen behandelt werden. Sie haben jedoch starken Suchtcharakter und sollten nur kurze Zeit eingesetzt werden. Treten zudem Depressionen auf, kommen selektive Serotonin- Wiederaufnahmehemmer (SSRIs) zum Einsatz.
Informiert sein, hilft – Angehörige von Borderline-Patienten
Das Leben mit der Borderline-Persönlichkeitsstörung ist oft eine große Herausforderung für die Betroffenen selbst, aber ebenso für Partner, Familie und Freunde. Die starken Stimmungsschwankungen sorgen häufig für Unverständnis und belasten die Beziehungen sehr.
Deshalb ist es wichtig, sich als Angehöriger und Partner zuallererst gut über die Erkrankung zu informieren, um so Verhaltensmuster des Betroffenen besser einzuordnen. Dabei gilt es vor allem zu lernen, das schwierige Verhalten des Erkrankten nicht persönlich zu nehmen:
Am besten unterstützen Angehörige den Betroffenen, indem sie ihm zeigen, dass sie für ihn da sind, ihn unterstützen, sich professionelle Hilfe zu holen und ihn in der Therapie verständnisvoll begleiten. Das erfordert viel Kraft, um das eigene seelische Wohl im Blick zu behalten. Auch der Austausch mit anderen Angehörigen oder ein sogenanntes Angehörigen-Seminar können helfen. Die Ursache ist die Erkrankung, nicht der Mensch.